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M+M | KETTE UND SCHUSS

Munich Re Art Gallery | Juli 2020 – Oktober 2022

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    Der Ausstellungsparcours beginnt mit der aktuellen Fotoserie tessuti. Die zunächst fast monochrom wirkenden Fotografien zeigen beim näherer Betrachtung detailgenau tausende variantenreiche Nahaufnahmen jeweils eines gewebten Stoffes mit all seinen Fäden und Teilmustern in einem facettenreichen und rhythmisierten Farbspektrum. Die Grundlage bildet dabei eine spezielle Fotocollagetechnik von M+M, die selbst gewisse Parallelen zum Weben von Stoffen aufweist. Ausgehend von einem langen Filmschwenk über einen Originalstoff werden alle aufgezeichneten Filmstills sukzessive zu einem Gesamtbild aufgefächert, Reihe für Reihe digital miteinander verwoben – fast wie beim Weben mit Kette und Schuss.  

    M+M im Gespräch mit Susanne Ehrenfried-Bergmann.

    © M+M

    Die Werkreihe tessuti wurde im Rahmen eines Aufenthalts der Künstler im Centro Tedesco di Studi Veneziani 2017 konzipiert. Ausgangspunkt sind kostbare und individuelle Stoffmuster, die in der venezianischen Tessitura Bevilacqua, einer weltweit einzigartigen Handweberei, auch heute noch anhand überlieferter Lochkarten auf alten hölzernen Webstühlen produziert werden. Der ausgewählte und internationale Kundenkreis dieser faszinierenden Stoffe reicht vom Weißen Haus, über den Kreml bis hin zum Vatikan. Aber auch Popikonen wie Mariah Carey sind Auftraggeber für die exquisiten Textilien von Bevilacqua. Bei M+M werden die aneinandergereihten Makroaufnahmen dieser Stoffe zu oszillierenden Motiven eines neuen magischen, digitalen Bilderteppichs.  

    Auch die zweite fotografische Reihe kurz vor fünf basiert auf fortlaufenden Stills aus Filmen, deren Geschichten an verschiedenen Orten zur gleichen Uhrzeit spielen: kurz vor fünf mitteleuropäischer Zeit. In Europa ist es die Stunde des langsamen Verabschiedens des Tages, des gleitenden Übergangs in die Nacht, in eine andere Welt, mit anderen Farben, anderen Begebenheiten. In den USA dagegen ist es früh am Morgen, in Asien in der Nacht. Die Basis zur fotografischen Serie liefern ca. drei-minütige Filme, welche die Künstler seit 2001 an verschiedensten Orten dieser Welt - ob in Berlin, Bornholm, Montreal, München, Princeton, New York oder Taipei - realisiert haben.  

    Es ist gewissermaßen ein synchronisierter Schnitt durch das Leben verschiedener Personen, die jeweils in ihrem individuellen Umfeld gezeigt werden. M+M inszenieren mit Schauspielern scheinbar alltägliche Episoden – Ereignisse, die an einem spezifischen Ort so hätten stattfinden können. Lassen sich die Bildsequenzen in extremer Nahsicht detailgenau verfolgen, verschmelzen sie bei zunehmender Entfernung zu einer weitgehend abstrakten Matrix, die von den dominierenden Farben des jeweiligen Sets bestimmt werden. Fiktion wird Realität, der Film zum Bild, das Bild zum Muster. Als Reminiszenz zu den Dreharbeiten werden auf zwei direkt nebeneinander angebrachten Flatscreens Szenen gezeigt, die in einer minimalen Zeitversetzung erscheinen. Die ausgewählten Sequenzen werden hier wie ein schattenhaftes Echo des gerade Vergangenen dupliziert. Auch die bewusste Entscheidung der Künstler für den schwarzen Anstrich einiger Wände in der Ausstellung lässt an ein Kino-Setting erinnern und potenziert damit die typische Präsentationsform filmischer Erzählungen.