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Virtuelle Erdbeben in 3D
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    Supercomputer ermöglichen es, Erdbeben und ihre Auswirkungen in 3D zu simulieren. Die Analyse liefert ein wertvolles Tool für das Risikomanagement, auch wenn der Anwendungsbereich noch begrenzt ist.

    Am 17. Januar 1995 verwüstete ein starkes Erdbeben die japanische Stadt Kobe. Fast 6.500 Menschen kamen ums Leben, Zehntausende verloren ihr Zuhause. Nach der Katastrophe ließ die japanische Regierung „E-defense“, den weltgrößten Rütteltisch, bauen (www.bosai.go.jp/hyogo). Die imposante Anlage kann das Verhalten von Gebäuden bei Erdbeben unter Berücksichtigung aller drei räumlichen Dimensionen simulieren. Die riesige Experimentierplattform eröffnete Ingenieuren völlig neue Möglichkeiten der Analyse und erfüllte Wissenschaftlern den Traum, Bauwerke unter starken Bodenschwankungen zu testen.

    Wäre so etwas auch für Erdbeben selbst denkbar? Könnte man in einem gigantischen Experiment Erdstöße auslösen, um ihre Wirkungen zu erforschen? Zwei Dinge stehen dem entgegen: Zum einen wäre es äußerst schwierig, denn selbst ein kleines Beben mit einer Magnitude von Mw = 5,0 setzt bereits Energie in der Größenordnung der Hiroshima-Bombe von 1945 frei. Zum anderen wäre es extrem riskant!

    Glücklicherweise gibt es einen anderen Weg: Mit Supercomputern lässt sich ein virtuelles Labor schaffen, in dem seltene, nicht vorhersagbare Ereignisse wie Erdbeben simuliert und unter physikalischen Gesichtspunkten analysiert werden können. Das verspricht neue Erkenntnisse, sind Erdbeben doch ein komplexes und dynamisches Phänomen, bei dem der Wellenausbreitung eine entscheidende Rolle zukommt.

    Um die Auswirkungen eines Ereignisses abzuschätzen, werden bislang statische Karten mit den maximal beobachteten (oder modellierten) Amplituden der Bodenbewegung herangezogen. In den meisten Fällen ist dies sinnvoll, wenn auch mit gewissen Einschränkungen:

    Die zuverlässigen Ergebnisse der PBS haben Seismologen und Ingenieure dazu veranlasst, die seismischen Bewegungen vergangener Erdbeben nachzubilden und die Bodenbewegungen bekannter Verwerfungen im Erdbebenfall zu simulieren. Neben San Francisco, Los Angeles und Tokio wurden derartige Simulationen auch für Istanbul (Türkei), Wellington (Neuseeland) und Santiago (Chile) vorgenommen. Momentan unterliegt PBS noch gewissen Einschränkungen. Die Methode funktioniert nur in Gebieten, für die geotechnische/geologische Informationen in ausreichender Menge und Qualität vorliegen. Außerdem ist die Berechnung sehr kostenintensiv. Nichtsdestotrotz ist PBS mit Sicherheit ein vielversprechender Ansatz, um die Folgen des seltenen, aber potenziell zerstörerischen Naturphänomens Erdbeben zu verstehen. Zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand arbeitet Munich Re an einer Methode, die Vorteile von PBS zu nutzen und unsere internen probabilistischen Erdbebenmodelle mit 3D-Szenarien zu erweitern (http://speed.mox.polimi.it).

    • Die Karte wird normalerweise auf Basis sogenannter Ground Motion Prediction Equations (GMPE) berechnet. Dahinter steckt ein vereinfachtes empirisches Regressionsmodell, das auf der Beobachtung von Bodenbewegungen früherer Erdbeben beruht. Ziel dieses Modells ist es, bestimmte Bewegungsgrößen als Funktion anderer Parameter wie Entfernung vom Epizentrum, der Bebenmagnitude, dem Herdmechanismus und Untergrundeffekten (verstärkende oder dämpfende) vorherzusagen.
    • Die Karte wird mithilfe der bei einem Ereignis beobachteten Daten verbessert, sofern solche zur Verfügung stehen.
    • Sie kann daher womöglich spezifische Effekte des betrachteten Erdbebens nicht einbeziehen und wiedergeben.

    Ein Erdbeben setzt in kurzer Zeit enorme Energie frei, hauptsächlich in Form von Bewegung, aber auch in Form von Schall und Wärme. Demzufolge erzeugt es einerseits bleibende Verschiebungen, andererseits seismische Wellen, die sich im Boden fortpflanzen. Hätten wir eine ausreichende Anzahl von Seismometern (Geräte, welche die Bodenbewegung als Funktion der Zeit aufzeichnen) an den richtigen Stellen, könnten wir diese elasto-dynamische Wellenbewegung als Film darstellen. Leider funktioniert das in der Regel nicht, da nur wenige Länder über dichte Messnetze verfügen und wir häufig lange auf das nächste seismische Ereignis warten müssen.

    Meistens ist es möglich, die Bodenbewegung eines Erdbebens anhand der Magnitude des Bebens, des Abstands zum Herd und der lokalen Untergrundverhältnisse über die Bodenbeschleunigungs-Vorhersagegleichung GMPE zu ermitteln – aber nicht immer: etwa wenn das betreffende Gebiet eine komplexe Geologie aufweist und zudem recht nahe an der seismischen Quelle (der Störung selbst) liegt. Um hier die Bodenbewegungen richtig zu beschreiben, ist eine Modellierung nötig, die sich auf weitere physikalische Parameter stützt.

    Eine einfache Analogie soll das verdeutlichen: Angenommen, Sie nehmen Ihren Koffer vom Gepäckband am Flughafen und stellen fest, dass die Zahlenkombination des Schlosses nicht funktioniert – es ist nämlich der falsche Koffer. Sie haben sich auf bestimmte Eigenschaften Ihres Gepäckstücks verlassen (Farbe, Größe, Gewicht), die es mit vielen anderen teilt. Den „durchschnittlichen Koffer“ haben Sie korrekt identifiziert, interessiert sind Sie jedoch nicht am durchschnittlichen, sondern am richtigen: Ihrem.

    San Francisco, Los Angeles und Tokio sind drei Beispiele, bei denen man sich im Risikomanagement nicht auf die Vorhersage der durchschnittlichen Bodenbewegung verlassen sollte. Bleiben hier räumliche Korrelationen unberücksichtigt, können große Fehler bei der Schadenschätzung auftreten.

    Die sogenannte physikalisch basierte Simulation (PBS) bezieht solche Daten mit ein und liefert ein realistischeres Bild des betreffenden Erdbebenszenarios. Die PBS-Methode unterscheidet sich substanziell von Bodenbeschleunigungs-Vorhersagegleichungen, indem sie die Erdbebenphysik realistischer beschreibt. Demgegenüber zielt die GMPE darauf ab, vereinfacht die maximale Bodenbeschleunigung mithilfe weniger auf Beobachtungen gestützter Parameter zu modellieren. Die PBS-Methode ist daher geeignet, komplexe Materialeigenschaften oder seismische Wellenausbreitungsphänomene wiederzugeben. Dazu gehören Nahfeld-Effekte in unmittelbarer Umgebung des Erdbebenherds, Resonanz-Effekte in Becken mit weichem, alluvialem Boden/Untergrund oder in der Erdkruste.

    Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Methode ist die Modellierung des Christchurch-Bebens vom 22. Februar 2011. Dazu verglich man die gesamte zeitliche Abfolge des Bebens, nicht nur die maximale Bodenbewegung, mit den modellierten Seismogrammen. Es zeigte sich, dass diese Methode ausgereift genug ist, um in einem höchst komplizierten geotechnischen und geologischen 3D-Umfeld innerhalb eines gegebenen Frequenzbereichs bessere Einsichten in die Bodenbewegungen in der Nähe einer Störung zu gewinnen.

    Die zuverlässigen Ergebnisse der PBS haben Seismologen und Ingenieure dazu veranlasst, die seismischen Bewegungen vergangener Erdbeben nachzubilden und die Bodenbewegungen bekannter Verwerfungen im Erdbebenfall zu simulieren. Neben San Francisco, Los Angeles und Tokio wurden derartige Simulationen auch für Istanbul (Türkei), Wellington (Neuseeland) und Santiago (Chile) vorgenommen.

    Momentan unterliegt PBS noch gewissen Einschränkungen. Die Methode funktioniert nur in Gebieten, für die geotechnische/geologische Informationen in ausreichender Menge und Qualität vorliegen. Außerdem ist die Berechnung sehr kostenintensiv. Nichtsdestotrotz ist PBS mit Sicherheit ein vielversprechender Ansatz, um die Folgen des seltenen, aber potenziell zerstörerischen Naturphänomens Erdbeben zu verstehen. Zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand arbeitet Munich Re an einer Methode, die Vorteile von PBS zu nutzen und unsere internen probabilistischen Erdbebenmodelle mit 3D-Szenarien zu erweitern (http://speed.mox.polimi.it).

    Wellen im Untergrund

    Beispiele für eine Simulation auf physikalischer Basis: Die ersten drei Bilder zeigen die modellierten Bodengeschwindigkeiten rechtwinklig zur Verwerfung für ein Szenario mit der Magnitude 7,0 in der Umgebung Istanbuls in Zentimetern pro Sekunde. Zu sehen sind die Momentaufnahmen 15, 25 und 35 Sekunden nach Beginn der Bruchs. Das untere Bild zeigt die maximalen gemessenen Bodengeschwindigkeiten im betrachteten Gebiet.

    Das untere Bild zeigt die maximalen gemessenen Bodengeschwindigkeiten im betrachteten Gebiet.

    Munich Re Experten
    Marco Stupazzini
    Consultant für geophysikalische Risiken, Corporate Underwriting/Geo Risks

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