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Nach Jahren mit eher sturmfördernden Bedingungen ist für die Hurrikansaison 2023 nach ersten Prognosen mit einer Anzahl von Stürmen auf dem langjährigen Durchschnitt zu rechnen.
Bei zwei gegenläufigen Klimaeffekten ist allerdings noch nicht klar, welcher sich stärker durchsetzt: Für Spätsommer wird das so genannte El Niño-Phänomen erwartet, das Hurrikane eher dämpft. Gleichzeitig sind die Wassertemperaturen im tropischen Nordatlantik ungewöhnlich hoch, was Wirbelstürme anfachen könnte.
In Zahlen: Basierend auf der Analyse der klimatologischen Bedingungen und den Prognosen führender Forschungsinstitute erwartet Munich Re für die Saison 2023 – innerhalb einer Unsicherheitsspanne – etwa 12 benannte Wirbelstürme im tropischen Nordatlantik. Etwa sechs davon könnten sich zu Hurrikanen entwickeln, davon etwa zwei zu schweren Hurrikanen mit Windgeschwindigkeiten über 110 mph (177 km/h).
Diese Schätzung entspricht in etwa den Prognosen der führenden Vorhersageinstitute und dem langjährigen Mittel von 1950 bis 2022 (12,2 benannte Stürme, davon 6,4 Hurrikane mit 2,6 schweren Hurrikanen). Die Sturmaktivität in der zyklischen Warmphase im Nordatlantik seit Mitte der 1990er Jahre lag mit 15,7 tropischen Stürmen, davon 7,7 Hurrikane und 3,6 schwere Hurrikane, etwas höher.
Die Hurrikansaison beginnt offiziell am 1. Juni und dauert bis Ende November.
Widersprüchliche Klimafaktoren:
El Niño und warme Meerestemperaturen erschweren die Vorhersage der Hurrikansaison
Die Hurrikanaktivität wird im Wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst: der Wassertemperatur im tropischen Nordatlantik und der natürlichen Klimaschwankung ENSO (El Niño/Southern Oscillation) im Pazifik.
In der Hauptphase der Hurrikansaison von August bis Oktober werden in diesem Jahr nach aktuellen Vorhersagen Meeresoberflächentemperaturen um bis zu 1°C über dem Durchschnitt erwartet. Schon jetzt sind die Temperaturen im tropischen Nordatlantik bereits deutlich erhöht. Es ist bekannt, dass ein wärmerer als der normale tropische Nordatlantik in der Regel günstigere Bedingungen für die Entstehung und Verstärkung von Hurrikanen schafft. Er sorgt auch für niedrigeren Luftdruck und schwächere Passatwinde, was ebenfalls zu einem günstigeren Umfeld für Hurrikane beiträgt.
Der zweite Faktor ist die natürliche Klimaschwankung ENSO (El Niño/Southern Oscillation). Obwohl es sich um eine Temperaturschaukel im Pazifik handelt, wirkt sie sich stark auf Wetterextreme in weit entfernten Regionen aus. Nach drei Jahren mit La Niña-Bedingungen, die Hurrikane begünstigen, wird für den Spätsommer ein Umschwenken in eine womöglich kräftige El Niño-Phase erwartet. El Niño-Jahre gehen mit starken Höhenwinden über dem Nordatlantik einher. Diese so genannte vertikale Windscherung dämpft Wirbelstürme, da sie Sturmsysteme förmlich auseinanderbläst. Die vertikale Windscherung dürfte nach jetzigen Prognosen während des Hauptteils der Hurrikansaison auf ein hohes Niveau ansteigen.
Obwohl die Modelle eine starke El-Niño-Phase für den Spätsommer relativ sicher vorhersagen, hängt die Hurrikanaktivität auch stark von den beschriebenen derzeit hohen Meerestemperaturen ab. Diese widersprüchlichen Signale machen eine Prognose für die diesjährige Hurrikansaison schwierig.
Beeinflusst der Klimawandel die Hurrikane?
Natürliche Klimazyklen wie „Warm- und Kaltperioden“ der Oberflächentemperaturen tropischer Ozeane spielen bei tropischen Wirbelstürmen eine sehr wichtige Rolle. Überlagert werden sie von den Effekten des Klimawandels. Die Forschung geht bisher nicht davon aus, dass der Klimawandel zu mehr tropischen Wirbelstürmen führt, wohl aber zu einem höheren Anteil besonders starker Hurrikane und von Stürmen mit extremen Niederschlägen.
„Dieses Jahr ist Vorsicht geboten, denn die Signale sind widersprüchlich. El Niño wird sich auf Wetterextreme auf der ganzen Welt auswirken und womöglich Wirbelstürme dämpfen. Aber durch die hohen Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik findet alles womöglich auf einem höheren Niveau statt. Sie können auch in einem ansonsten dämpfenden Umfeld verheerende Stürme hervorbringen. Wärmere Meerestemperaturen sind unter anderem eine Folge des Klimawandels”, sagt Anja Rädler, Meteorologin und Klimaexpertin von Munich Re.
Ob sich der Klimawandel auch auf ENSO-Phasen selbst auswirkt, ist noch umstritten. Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass der Klimawandel auch Dauer und Stärke der ENSO-Phasen extremer macht.
Verwüstungen und Sturmfluten: Hurrikane verursachen Milliardenschäden
Hurrikan Ian hat im vergangenen Jahr mit versicherten Schäden von 60 Mrd. US$ gezeigt, dass ein einzelner schwerer Sturm das Schadenpotenzial in die Höhe treiben kann – egal, ob viele Stürme vorhergesagt sind oder nicht. Es ist wichtig zu beachten, dass die Vorhersage von Tropenstürmen sehr komplex ist und von vielen Faktoren abhängt. Daher sollten Entscheidungen von Versicherern nicht allein auf Basis der erwarteten El Niño-Phase getroffen werden.
Im westlichen Nordpazifik wirken sich die ENSO-Bedingungen ebenfalls auf die dortige Taifunsaison aus, allerdings mit etwa umgekehrten Vorzeichen als im Nordatlantik: El Niño dürfte hier im Jahr 2023 eine erhöhte Taifunaktivität begünstigen. Im Zeitraum 1980 bis 2021 traten dort im Mittel 26 benannte Stürme, 16 Taifune und 9 große Taifune der Kategorie 3-5 pro Jahr auf.
Die höchsten Schäden durch Taifune entstehen regelmäßig in Japan, jedoch gibt es in China und Indien einen Trend zu steigenden Schäden. Die bislang teuersten Taifune in Japan – Jebi im Jahr 2018 und Hagibis 2019 – mit Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe ereigneten sich unter El Niño-Einfluss.
Bei El Niño-Bedingungen ist in Japan das Risiko leicht erhöht, dass Wirbelstürme auf Land treffen. Allerdings muss gerade bei Japan auf zwei verschiedene Arten von El Niño geachtet werden: Den klassischen El Niño über das gesamte Ozeanbecken hinweg und den so genannten "El Niño Modoki" mit besonders starker Erwärmung im Zentralpazifik. In El Niño Modoki-Jahren ist in Japan und in Korea das Risiko besonders erhöht, dass Stürme auf Land treffen. Allerdings wird für das Jahr 2023 ein klassischer El Niño erwartet.