properties.trackTitle
properties.trackSubtitle
Zum Teil tennisballgroße Eisklumpen und knapp eine Million beschädigte Gebäude – es waren Hagelunwetter der Superlative, die sich im Juli und August 2013 in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen entluden. Das typische Schadenbild: zertrümmerte Dachziegel, durch die Regenwasser ins Gebäudeinnere lief. Zerstörte Solaranlagen, Löcher in den Fassaden, kaputte Autos. Im Raum Tübingen-Reutlingen in Baden-Württemberg waren mancherorts 90 Prozent der Gebäude betroffen. Der Gesamtschaden der Hagelstürme 2013 für Kfz- und Sachversicherer in Deutschland betrug mehr als 4 Mrd. €, davon entfielen 3,1 Mrd. € auf Gebäude. Der größte Hagelstein hatte rund 14 Zentimeter Längsdurchmesser, ein Rekord für Deutschland. Es stellt sich die Frage, was aus solchen Ereignissen gelernt werden kann.
Nehmen Hagelschläge durch den Klimawandel zu?
Im Rahmen einer Doktorarbeit, die mit Unterstützung von Munich Re in Zusammenarbeit mit dem European Severe Storms Laboratory (ESSL) entstanden ist, wurde ein neues statistisches Verfahren („AR-CHaMo“) entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit für kleinräumige Schwergewitterereignisse auf Basis von großräumigen Beobachtungen (sogenannten Reanalyse-Daten) für den Zeitraum 1979 bis 2015 abzuleiten. Somit lässt sich erkennen, ob und wo Hagelschläge tatsächlich häufiger geworden sind. Die Ergebnisse brachten Indizien dafür, dass der Klimawandel als ein beitragender Faktor betrachtet werden kann, da höhere Temperaturen die entdeckten Feuchtezunahmen erklären können.*
Die Ergebnisse:
- Die häufigsten Hagelschläge mit Hagelsteinen größer als 2 Zentimetern gibt es in Norditalien, Rumänien, an den Pyrenäen und im Balkan. In Deutschland hagelt es im Süden deutlich häufiger als im Norden.
- In den betrachteten 37 Jahren nahm die Zahl der Hagelereignisse insgesamt deutlich zu. Besonders stark war die Zunahme in Norditalien und an der Adriaküste. Geringere Zunahmen gab es in Zentraleuropa mit Frankreich, den Benelux-Staaten und Deutschland. Leichte Abnahmen fand die Studie für Südwestfrankreich und Teile der iberischen Halbinsel.
Was muss getan werden, um Schäden zu verhindern?
Es gibt Hinweise auf eine höhere Schadenanfälligkeit moderner Gebäude zum Beispiel in Zentraleuropa. Insbesondere Solaranlagen stehen im Fokus, die größeren Hagelkörnern häufig nicht standhalten. Ähnlich ist es mit Gebäudehüllen. Die US-Versicherer arbeiten daher eng mit dem Forschungszentrum Insurance Institute for Business & Home Safety (IBHS) zusammen, das entsprechende Resistenztests durchführt. Einer zügigen Entwicklung von hagelfesten Anlagen und Materialien steht jedoch entgegen, dass es in vielen Ländern, auch in Deutschland, keine ausreichenden Vorgaben gibt, um periphere Installationen an Gebäuden besser vor Hagelkorngrößen ab 3 - 4cm zu schützen.
In der Schweiz, wo die Baustandards ähnlich wie in Deutschland sind, lag der Anteil beschädigter Gebäude bei moderneren Baujahren systematisch höher als bei älteren: So erlitten bei Hagelschlägen im Kanton Aargau etwa 8 Prozent der Gebäude aus den 1940er Jahren Schäden, bei Gebäuden mit Baujahr ab 2000 waren es 15 Prozent.
Ein Blick auf die Schweiz zeigt auch, wie sich die Hagelresistenz erhöhen lässt. Unter Beteiligung von Eigentümer- und Versicherungsverbänden sowie des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins wurde 2010 das Schweizer Hagelregister (www.hagelregister.ch) eingeführt. Die Initiative motiviert Baustoff- und -elementehersteller dazu, ihre Produkte auf Hagelwiderstand testen und zertifizieren zu lassen. Ergebnis ist eine zentrale Datenbank mit Prüfsiegel für hagelsicheres Bauen. Ein Ableger dieser Initiative ist auch in Österreich aktiv.
Für andere Länder, auch Deutschland, wäre eine solche Initiative zur Begrenzung künftiger Schäden auf jeden Fall wünschenswert. Nicht zuletzt wegen der erwarteten Folgen des Klimawandels.
* Rädler, A.T., Groenemeijer, P., Faust, E., Sausen, R., 2018: Detecting severe weather trends using an Additive Regressive Convective Hazard Model (ARCHaMo). J. Appl. Meteor. Climatol., DOI:10.1175/JAMC-D-17-0132.1