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Wenn das Klima schwankt
„El Niño“ steht vor der Tür – Wetterextreme in vielen Teilen der Welt sind die Folge
„El Niño“ steht vor der Tür – Wetterextreme in vielen Teilen der Welt sind die Folge
© Cavan Images / Getty Images
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    Hitzerrekorde in weiten Teilen Asiens, in Europa und überdurchschnittlich warme Ozeantemperaturen beinahe weltweit wirken wie Vorboten: Vielen Regionen der Welt stehen in den nächsten Monaten voraussichtlich ähnliche extreme Wetterereignisse und Temperaturrekorde bevor. Auslöser ist das „El Niño“-Phänomen, das sich Anfang des zweiten Halbjahres aufbauen und dann Wetterextreme in vielen Teilen der Welt beeinflussen dürfte. Überlagert durch den Klimawandel wird der anstehende El Niño je nach Stärke womöglich auch zu Rekordtemperaturen im Schnitt eines ganzen Jahres führen. Sogar das Ziel des Klimagipfels von 2016, die Erderwärmung auf höchstens 1,5° im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, könnte im kommenden Jahr erstmals gerissen werden.

    Eine „El Niño“-Phase ist eine Folge der Klimaschwankung ENSO („El Niño/Southern Oscillation“), einer Schwankung der Meeresoberflächentemperaturen im Pazifik. Im neutralen Zustand ist das Wasser an der Oberfläche des Westpazifik deutlich wärmer als im Ostpazifik vor Südamerika. In „La Niña“-Phasen ist der Temperaturunterschied noch größer. Bei „El Niño“ dagegen treiben abgeschwächte Passatwinde nicht mehr so viel warmes Oberflächenwasser in Richtung Westen. Das Wasser vor Südamerika wärmt sich auf, im Westpazifik wird es kühler. 

    Jeder El Niño ist anders – Konkrete Katastrophen lassen sich kaum vorhersagen

    Die wichtigsten El Niño-Auswirkungen sind:

    • In der Hurrikansaison im Nordatlantik ist die Sturmaktivität tendenziell gedämpft, da stärkere Scherwinde tropischen Wirbelstürmen entgegenwirken. Allerdings beeinflussen auch andere Faktoren die Hurrikan-Aktivität. So können hohe Wassertemperaturen, wie im Frühjahr 2023, wiederum Stürme begünstigen. Das macht Vorhersagen besonders schwierig.
    • Im Nordostpazifik, also vor der Westküste der USA und Mexikos, ist das Hurrikanrisiko während einer El Niño-Phase deutlich erhöht. 2015 beispielsweise traf in Mexiko Hurrikan Patricia mit Windgeschwindigkeiten bis zu 340 km/h auf Land – einer der stärksten Wirbelstürme jemals. Die Schäden waren schwer, insgesamt wegen der dünnen Besiedelung der Region aber begrenzt. 
    • Im Nordwestpazifik begünstigt eine El Niño-Phase die Entstehung von Taifunen. Die beiden kostspieligsten Taifune mit Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe in Japan, Jebi 2018 und Hagibis 2019, ereigneten sich beeinflusst von einer besonderen El Niño-Variante.
    • In Australien, dem Südwesten Afrikas, Mittelamerika und dem Nordwesten Südamerikas führt El Niño tendenziell zu Trockenheit und Waldbränden. Auf der westlichen Seite Südamerikas und Teilen Brasiliens kommt es dagegen vermehrt zu Überschwemmungen und Sturzfluten, die auch bis in den Südwesten der USA reichen können.
    • Im Süden der USA nehmen Schwergewitter mit starken Tornados im Winter und Frühjahr zu. Ein Beispiel für ein solches Ereignis während einer starken El Niño-Phase war ein Tornado-Ausbruch nahe Dallas im Dezember 2015. Der Tornado der zweithöchsten Stufe EF4 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h riss eine Schneise der Verwüstung in einen dicht besiedelten Vorort von Dallas. Die gesamte Tornadoserie verursachte einen Schaden von 2 Mrd. US$. 
    • In La Niña-Jahren sind die Auswirkungen überwiegend gerade umgekehrt, also zum Beispiel mehr tropische Wirbelstürme im Nordatlantik oder Hochwasser im Osten Australiens. Genaue Vorhersagen sind dabei immer schwierig, da auch noch andere zyklische Schwankungen eine Rolle spielen.
    Die sich abwechselnden El Niño- und La Niña-Phasen dauern typischerweise ein bis zwei Jahre und haben ihr Maximum im Winter. In den vergangenen drei Jahren – ungewöhnlich lange – herrschten La Niña-Bedingungen. Für die zweite Jahreshälfte rechnen viele Experten nun mit einem sehr starken El Niño.
    El Niño beeinflusst Wetterextreme auf der ganzen Welt – Die wichtigsten Effekte
    Munich Re, auf Grundlage von IRI, NOAA und anderen

    Verstärkt der Klimawandel El Niño oder La Niña?

    Die ENSO-Schwankungen beeinflussen nicht nur lokale Wetterphänomene, sondern auch die weltweiten Durchschnittstemperaturen: El Niño erhöht die Temperatur, La Niña kühlt etwas. Auffällig ist: Die neun letzten Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Den Rekord hält das El Niño-Jahr 2016, als die Durchschnittstemperatur um beinahe 1,2°C über dem Durchschnitt der vorindustriellen Zeit lag. Unter den heißen Jahren der jüngsten Zeit waren aber auch mehrere La Niña-Jahre, wie etwa 2020-2022. Das zeigt: Die Effekte von natürlichen Klimazyklen und des Klimawandels überlagern sich und spielen sich in der Tendenz auf einem höheren Temperaturniveau ab. Klimaforscher halten es für möglich, dass 2024 unter anhaltendem Einfluss von El Niño die weltweite Durchschnittstemperatur erstmals mehr als 1,5°C über der vorindustriellen Zeit liegen könnte. 

    Ob sich umgekehrt der Klimawandel direkt auch auf die ENSO-Schwankungen auswirkt, wird in der Wissenschaft noch diskutiert. Einige Studien gehen davon aus, dass der Klimawandel auch die ENSO-Phasen selbst verstärkt, also wie bei vielen Naturgefahren selbst die Extreme verstärkt.

    Die starken Auswirkungen zyklischer Klimaschwankungen – überlagert von den Effekten des Klimawandels selbst – zeigen, wie wichtig die Forschung und daraus abgeleitete Rückschlüsse nicht zuletzt für Versicherer sind. Alleine historische Statistiken zu nutzen, reicht für ein gutes Risikomanagement nicht aus. Vielmehr ist es notwendig, Schwankungen durch natürliche Klimazyklen zu berücksichtigen und langfristige Effekte des Klimawandels genau in der Risikosteuerung abzubilden. Bei Munich Re arbeiten dutzende Wissenschaftler – von Meteorologen über Hydrologen bis hin zu Klimawissenschaftlern – an Risikomodellen und in der Risikoeinschätzung, die uns das Absichern von Katastrophenrisiken in großem Umfang möglich machen. Das hat fundamentale Bedeutung: Versicherer übernehmen einen Teil der finanziellen Schäden von Katastrophenopfern – und ermöglichen ihnen damit eine schnellere Rückkehr zu einem normalen Leben.

    Munich Re Experten
    Profilbild Anja Rädler
    Anja Rädler
    Meteorologin und Sturmexpertin
    Andreas Lang
    Andreas Lang
    Klimawissenschaftler