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Parametrische Versicherungen in Lateinamerika: Innovative Konzepte schließen Versicherungslücken
Parametrische Versicherungen in Lateinamerika: Innovative Konzepte schließen Versicherungslücken
© Naeblys / stock.adobe.com
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    Bis vor einigen Jahren fristeten parametrische Deckungen eher ein Nischendasein. Heute sind sie durch den verstärkten Einsatz von Analytics-Verfahren Vorreiter, wenn es darum geht, Versicherungslücken zu schließen. Dies zahlt sich besonders in unterversicherten Regionen wie Lateinamerika aus, deren starker Agrarsektor vielen wetterbedingen Risiken ausgesetzt ist.

    Christoph Aschenbrenner, Senior Property Underwriter für Lateinamerika, und Brigitte Engelhard, Senior Underwriterin für Agrarversicherung in Lateinamerika bei Munich Re, erklären im Interview, wie parametrische Lösungen traditionelle Deckungen ergänzen und gleichzeitig die Grenzen der Versicherbarkeit erweitern können. 

    Welchen Risiken ist die lateinamerikanische Versicherungsbranche ausgesetzt?

    Engelhard: Viele Gegenden sind regelmäßig mit Wetterrisiken wie Dürre oder Starkregen, Hitze oder Frost konfrontiert. Dazu kommen Naturkatastrophen wie Wirbelstürme oder Erdbeben. Dies hat enorme Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die eine wichtige Rolle in der Volkswirtschaft und für die Erhaltung der Ernährungssicherheit spielt. 

    Der Klimawandel setzt den gesamten Sektor immer größeren Risiken aus, nicht nur die Landwirte, sondern auch die vor- und nachgelagerten Bereiche wie Zulieferer, lebensmittelverarbeitende Betriebe oder Maschinenhersteller. Wir sehen dies an der drastischen Zunahme von Dürren, Starkregen und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Angesichts all dieser offensichtlichen Risiken gibt es immer noch große Versicherungslücken.

    Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir innovative, parametrische Lösungen, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

    Können Sie uns sagen, wie die parametrische Versicherung hilft, die Versicherungslücke zu reduzieren?

    Aschenbrenner: Einkommensschwache Gruppen haben beispielsweise Schwierigkeiten, einen geeigneten konventionellen Versicherungsschutz zu finden. Eine mögliche ganzheitliche Lösung, die gleichzeitig den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung trägt, ist die Auszahlung von Pauschalbeiträgen nach einem Ereignis. Parametrische Deckungen regulieren Schäden auf der Grundlage vordefinierter Auslöser und Auszahlungsschemata und ermöglichen so einen einfachen und schnellen Auszahlungsprozess.

    Engelhard: In vielen Ländern gibt es Mehrgefahren -Ernteversicherungen, die u.a. die Deckung für Dürre und Starkregen einschließen. In Ländern wie Argentinien können diese Risiken jedoch nicht oder nur eingeschränkt versichert werden. Ein anderes Beispiel: Wegen der vergleichsweise hohen Kosten für die Verwaltung und Schadenermittlung erhalten Kleinbauern in einem traditionellen Versicherungsumfeld keine Mehrgefahren-Ernteversicherung. Mit dem parametrischen Ansatz können diese Lücken geschlossen werden. 

    Welche Vorteile haben parametrische Lösungen noch?

    Aschenbrenner: Nach einem Ereignis ermöglichen wir einen schnellen Cashflow. Dadurch können sich Gemeinschaften schneller erholen. Der Prozess rund um die Auszahlung ist für alle Beteiligten äußerst transparent: Die zur Auszahlung benötigten Daten stellen unabhängige Dritte zur Verfügung. Ausgelöst wird die Zahlung über einen einfachen und überprüfbaren Vorgang wie etwa die Windstärke oder Regenmenge . Damit erreichen wir die Finanzierung von Kunden mit einem hohen Kreditrisiko, die normalerweise Schwierigkeiten hätten, konventionelle Deckungen zu bekommen. 

    Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo hinterließ der Hurrikan Delta im Oktober 2020 schwere Schäden an der Küste von Cancún. Die Schadenmeldung traf zwei Wochen nach dem Ereignis ein und nur sieben Tage später erhielten die Versicherten die Entschädigung. Diese Geschwindigkeit der Auszahlung hätten wir mit traditionellen Deckungen nie erreicht! 

    Engelhard: Parametrische Deckungen bieten bisher unversicherten Erzeugern die Möglichkeit, sich zu versichern: Kleinbauern können über Aggregatoren, also z.B. Gemeinden, Bezirke, Banken oder auch Saatguthändler versichert werden. Große Erzeuger profitieren ebenfalls, wenn sie eine auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Deckung wünschen. Und es erleichtert die Schadenschätzung, wenn traditionelle Schadenregulierung auf dem Feld zu aufwändig ist. Wichtig ist für uns aber, dass parametrische Lösungen nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu traditionellen Versicherungsprogrammen konzipiert sind. 

    Parametrische Lösungen in Form von Cat Bonds gibt es bereits seit Mitte der 1990er Jahre. Warum hat es so lange gedauert, bis die parametrische Versicherung en vogue wurde?

    Aschenbrenner: Cat Bonds haben sich als Alternative zur Property-Katastrophen-Rückversicherung bewährt. Auch Wetterderivate zur Absicherung gegen Extremwetter wie Hitze oder übermäßigen Regen existieren bereits seit einigen Jahrzehnten. Dennoch waren parametrische Lösungen eher ein Nischenprodukt. Dies änderte sich erst, als die Versicherungsbranche ihr Know-how auf dem Gebiet von Data Analytics, von Data Reporting und Modellierungstechniken stark erweiterte. Die Verwendung neuer Indizes und Parameter brachte uns an die Stelle, an der wir jetzt stehen: Parametrische Versicherung deckt heute ein breites Spektrum an Risiken ab.

    Engelhard: Die neuen Möglichkeiten im Bereich Data Analytics versetzen uns in die Lage, die komplexe Strukturierung parametrischer Produkte im Agrarbereich zu managen: In der Landwirtschaft hängt ein Schaden beispielsweise nicht nur von der Regenmenge ab, sondern auch vom Zeitpunkt des Regens sowie von der Art der versicherten Pflanze. Die parametrischen Produkte erreichen dadurch  eine hohe Qualität. Dies hat beispielsweise die brasilianische Regierung erkannt und subventioniert deshalb Prämienzahlungen für parametrische Deckungen in der Landwirtschaft. 

    Welche Vorbehalte gegenüber parametrischen Versicherungen gibt es?

    Engelhard: Das Basisrisiko spielt eine große Rolle. Es beschreibt den Fall, dass der Trigger-Index das Risiko-Exposure verfehlt. Nehmen wir das Beispiel, dass ein Landwirt einen Schaden hat, dieser aber im parametrischen Produkt nicht abgebildet wird, wenn etwa ein lokales Regenereignis auftritt, die zugeordnete Wetterstation aber nicht erreicht wird. Wir sind heute in der Lage, das Basisrisiko zu reduzieren durch die höhere Auflösung, die durch eine bessere Remote-Technologie wie etwa Satelliten erreicht wird. Das führt grundsätzlich zu einer besseren Akzeptanz der parametrischen Versicherung. 

    Dennoch misstrauen viele Landwirte noch immer Satellitenbildern grundsätzlich und ziehen es vor, einen Schadenregulierer auf ihrem Feld zu sehen. 

    Gibt es Beispiele für besonders innovative Lösungen?

    Aschenbrenner: 2020 hat Munich Re zusammen mit Super Seguros Mexico, Seguros Atlas und ERN als lokale Cat-Modeling-Agentur die erste parametrische Erdbeben-Direktversicherung in Lateinamerika auf den Markt gebracht. Sie bietet ein großes Potenzial für Skalierbarkeit. Vom Einkauf über die Verwaltung, die Kundenbetreuung und die Schadenabwicklung wird alles online abgewickelt. 

    Auch bei Hurrikanen waren wir Vorreiter und haben gemeinsam mit unseren Partnern Raincoat und Optima Seguros eine parametrische Hurrikan-Versicherung in Puerto Rico eingeführt.

    Engelhard: Wir unterstützen unsere Kunden aktiv bei der Entwicklung von neuen Produkten. Das Team von Munich Re Agro hat einen starken Innovationsfokus. So haben wir beispielsweise in zwei sogenannten „Agro-Future Labs“ in München und in Mexiko gemeinsam mit unseren Kunden zukünftige Produktideen entwickelt. 

    Wir waren auch maßgeblich an der Entwicklung des ersten Dürreindex-Produkts für Argentinien beteiligt. Dieses nutzt Satellitenbilder, um zunächst die Pflanze anhand ihres spektralen Signals   (klassifiziert durch einen Algorithmus eines Datenanbieters) zu identifizieren und dann – in der sensitiven Phase – ihre „Grünheit“ zu messen, die ein starker Indikator für den letztendlichen Ertrag ist. Wenn dieser unter den Trigger fällt, gibt es eine Auszahlung. 

    Und wir haben gemeinsam mit einem Kunden ein parametrisches Produkt (Trockenheit und Starkregen) entwickelt, in dem die Regenmenge in einem mehrstufigen Prozess anhand von CHIRPS-Daten („Climate Hazards Group InfraRed Precipitation with Station data”) mit Schätzungen zum Niederschlag aus Satellitenbeobachtungen und Wetterstationsdaten ermittelt wird. Wenn der Niederschlag über oder unter dem Trigger liegt, gibt es eine Auszahlung.

    Können Sie uns einen Ausblick auf die Zukunft geben?

    Aschenbrenner: Wir sehen ein stark steigendes Interesse an klimabezogenen Risikotransferinstrumenten. Der Klimawandel und klimabezogene Ereignisse wie El Niño/La Niña haben einen großen Einfluss auf Industrien wie Energie und Landwirtschaft, aber auch der Bankensektor ist verschiedenen klimabezogenen Risiken ausgesetzt. So erhöht etwa das Risiko der Landentwertung die Volatilität der Bilanz. 

    Insgesamt werden wir die Arbeit an Datenanalysen und Produktinnovationen vorantreiben. Auch das Internet der Dinge (IoT) mit seinen neuen Datenquellen wird uns neue Möglichkeiten bieten.

    Engelhard: Die meisten parametrischen Produkte im Agrarsektor sind derzeit Produkte, die auf Wetter- oder Satellitendaten basieren. Viele Projekte arbeiten jedoch an zuverlässigen Modellen, die hochauflösende georeferenzierte Daten (sei es von Satelliten, Drohnen, Sensoren oder anderen) nutzen, um in Zukunft effiziente ertragsbasierte Indexprodukte zu ermöglichen.

    Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie parametrische Lösungen zu Ihrem Unternehmenserfolg beitragen können? Kontaktieren Sie unsere Experten:
    Christoph Aschenbrenner
    Senior Underwriter
    Regional Lead
    Engelhard Brigitte
    Brigitte Engelhard
    Senior Underwriter

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