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Ermittlung von Verrechnungspreisen
Viele internationale Unternehmen erwerben einen globalen Versicherungsschutz. Das Verrechnungspreissystem ist in diesem Fall nur relevant, wenn es zu einem Schadenfall kommt, der einer akkuraten Einschätzung und Bewertung bedarf. Anders liegt der Fall bei kleineren Unternehmen mit möglicherweise nur wenigen Produktionsstandorten, die sich häufig mit lokalen Policen begnügen. In diesem Fall spiegeln sich in der Ergebnisrechnung einer versicherten Rechtseinheit nur die Gewinne und Verluste wider, die auf Grundlage des Verrechnungspreissystems zustande kommen.
Dies lässt das tatsächliche Geschäftsrisiko des Gesamtunternehmens außer acht, das heißt den entgangenen Bruttogewinn, der über die ganze Wertschöpfungskette hinweg bis zum Verkauf der Fertigerzeugnisse an den Endkunden entsteht. Die vor- und nachgelagert erzielten Gewinne der betroffenen Einheit bleiben unberücksichtigt. Der Mehrwert der gesamten Wertschöpfungskette ist häufig nur am Hauptsitz des Versicherten bekannt. Um die Versicherungssumme richtig zu ermitteln, muss der Versicherer die Struktur des Unternehmens verstehen und wissen, wie Lieferungen von Waren und Dienstleistungen zwischen den verschiedenen Rechtseinheiten eines Unternehmens abgerechnet werden.
Ein Beispiel ist ein internationaler Nahrungsmittelhersteller, der den Einzelhandel beliefert. Das Unternehmen besitzt mehrere fleisch- und milchverarbeitende Betriebe in Europa, die alle rechtlich voneinander unabhängig sind und Fertigerzeugnisse produzieren. Diese Erzeugnisse werden auf Basis unternehmensweiter Verrechnungspreise zunächst an verschiedene Vertriebszentren geliefert, die das Produkt wiederum an den Einzelhandel weiterverkaufen.
Die unternehmensweiten Verrechnungspreise basieren auf den vollständigen Produktionskosten, die sich zu etwa 85 Prozent aus variablen Kosten und zu 15 Prozent aus festen Herstellungsgemeinkosten uzüglich einer Gewinnmarge von zwei Prozent für die Produktionsstätte zusammensetzen. Jeder europäische Standort ist separat versichert. Das letzte verkaufende Unternehmen nimmt für seine eigenen Fixkosten und die eigene Gewinnmarge einen durchschnittlichen Aufschlag von ca. 30 Prozent vor.
Folglich würde ein Betriebsunterbrechungsschaden bei einer Produktionsstätte auf Grundlage der Verrechnungspreise eine Entschädigung implizieren, die unter dem tatsächlichen Geschäftsrisiko der Gruppe liegt, da ein erheblicher Anteil des tatsächlichen Bruttogewinns im Handel erzielt wird. Wird dieses Risiko nicht angemessen durch die Deckung der Interdependenzrisiken oder eine globale Masterpolice abgesichert, sind die Auswirkungen auf die allgemeine Finanzlage der Gruppe und auch auf die der Produktionsstätte beträchtlich.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die einzelnen Finanzabschlüsse verschiedener Gruppengesellschaften möglicherweise nicht das echte Betriebsunterbrechungsrisiko der gesamten Produktionskette widerspiegeln, das mit dem Ausfall einer Einheit verbunden ist. Nur wenn genau bekannt ist, wie Produkte und Dienstleistungen gruppenintern abgerechnet werden und wo und wie der Bruttogewinn erwirtschaftet wird, kann eine angemessene Risikound Schadenbewertung erfolgen.
Probleme durch Interdependenzen
In Fällen, in denen nicht alle Einheiten einer Gruppe oder potenzielle Joint-Venture-Partner über lokale oder globale Betriebsunterbrechungspolicen versichert sind, lassen sich die Risiken für vor- und nachgelagerte Aktivitäten durch eine Deckungserweiterung für Wechselwirkungsschäden absichern. Diese gewährleistet, dass ein Schaden infolge einer Betriebsunterbrechung auf andere verbundene Einheiten in der Produktionskette gedeckt ist. Eine typische Deckungserweiterung für Wechselwirkungsschäden könnte folgende Bestimmungen enthalten:
„Wenn in dieser Police gemäß Abschnitt 2 – Betriebsunterbrechung der Bruttogewinn versichert ist, gilt der Versicherungsschutz auch bei Unterbrechung oder Beeinträchtigung der Geschäftsaktivitäten des Versicherten aufgrund von Verlust, Zerstörung oder Beschädigung von Eigentum an anderen Betriebsstätten, die der Versicherte, eine Tochtergesellschaft des Versicherten oder eines anderen Unternehmens, das im Rahmen der Geschäftsaktivität selbst eine Tochtergesellschaft des Versicherten ist (das heißt im Anhang nicht als Betriebsstätte aufgeführte Unternehmen), besitzt, mietet oder nutzt, wobei derartige Verluste, Zerstörungen oder Beschädigungen als Schaden an den Betriebsstätten zu betrachten sind.“
Man denke beispielsweise an eine Druckerei, die Etiketten für ein verbundenes, unter derselben Police versichertes Handelsunternehmen herstellt, das Endkunden beliefert. Während im Beispielfall die Marge der Druckerei gering ist, erzielt das Handelsunternehmen einen beträchtlichen Bruttogewinn, der am Sitz des Handelsunternehmens zudem nur mit einer geringen Steuer belegt ist. Kommt es in der Druckerei zu einer Betriebsunterbrechung, hat das Folgen auch für das Finanzergebnis beim Handelsunternehmen. Sofern dessen Bruttogewinn nicht angemessen versichert ist und die Abhängigkeit vom Output der Druckerei unberücksichtigt ist, entsteht eine beträchtliche Unterdeckung.
Es zeigt sich also, dass die offiziellen und selbst die internen Finanzausweise der einzelnen Standorte häufig nicht das finanzielle Risiko der Gruppe wiedergeben, das aus einer Betriebsunterbrechung an einem Standort resultiert. Das Risiko für die Gruppe kann sich auf ein Vielfaches des Risikos am einzelnen Standort belaufen. Das stellt die Versicherer bei der angemessenen Risiko- und Schadenbewertung und beim Streben nach einer frühzeitigen akkuraten Schadenreservierung vor Probleme. Sie müssen am besten in enger Zusammenarbeit mit dem Versicherten und gegebenenfalls externen Beratern umfassend überprüfen, in welcher Weise die verschiedenen Gruppengesellschaften voneinander abhängig sind und wie sich ein Schaden an einem Standort auf die gesamte Gruppe auswirken kann.
Die Deckungserweiterung für Wechselwirkungsschäden, die auf bestimmten Märkten üblich ist, ist sinnvoll für Unternehmen, die über eine ausgeprägte vertikale Integration und damit über ein hohes Maß an internen Interdependenzen verfügen. Außerdem kann die Erweiterung eine mögliche Deckungslücke in den Fällen schließen, in denen eine globale Masterpolice nicht verfügbar oder erwünscht ist. Bisweilen sind durch eine solche Deckungserweiterung ebenfalls die vor- und nachgelagerten Schäden von Gruppengesellschaften versichert, die selbst unter keinen lokalen oder globalen Versicherungsschutz fallen.
Je komplexer die Strukturen infolge vertikaler Integration, desto schwieriger ist es für Versicherer, das tatsächliche Risikoprofil im Fall einer Betriebsunterbrechung zu ermitteln. Es ist daher notwendig, sich über das Verrechnungspreissystem und die wechselseitigen Abhängigkeiten Klarheit zu verschaffen. Dann lässt sich der Deckungsbedarf bei Betriebsunterbrechungen besser erkennen. Außerdem hilft das bei einer frühzeitigen und möglichst akkuraten Bewertung der Schäden im Hinblick auf die Reservefestlegung. Wünschenswert wäre eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten über den gesamten Prozess hinweg. Dies würde es den Versicherern ermöglichen, allgemeine Verfahren zur Schadenberechnung heranzuziehen, den Bedarf zu erläutern, potenziell schwierige Schadenbewertungen anzugehen und – hoffentlich – die Erwartungen zur Zufriedenheit aller zu erfüllen.
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